Das
Kolbenverhältnis (KV) ist eine der wichtigsten Größen
am Stirlingmotor. Das KV entscheidet darüber, ab welchem
Temperaturverhältnis
ein Stirlingmotor läuft. Einige laufen bereits mit Handwärme, andere
brauchen
eine harte Flamme, wie die eines Schweißbrenners. Das Geheimnis liegt
alleine im
Kolbenverhältnis.
Definition:
Das
Kolbenverhältnis ist das Hubvolumen des Arbeitskolbens geteilt durch
das
Hubvolumen des Verdrängerkolbens.
Das
Kolbenverhältnis ist dimensionslos. Werte von 0,5 bis
1,0 sind üblich. Für Niedertemperatur-Maschinen werden auch kleinere
Zahlen
gewählt, im Extremfall bis 0,04. Allerdings wird die Kompression unter
0,5
immer lascher, die Leistung und der Wirkungsgrad immer geringer.
Grundsätzlich
kann das Kolbenverhältnis auf zwei Arten
gebildet werden:
Außerdem
kann man beides miteinander kombinieren.
Ganz
egal, auf welche Art und Weise das Kolbenverhältnis
gebildet wird, es gilt stets:
Je
größer das Kolbenverhältnis, umso größer wird die
Kompression ausfallen. Und je größer die Kompression, umso größer muss
das
Temperaturverhältnis zwischen heißem und kaltem Teil gewählt werden,
damit die
Kompression überwunden wird. Dieses Anwurf-Temperaturverhältnis (TVan)
scheint
dabei in einer direkten mathematischen Beziehung zum Kolbenverhältnis
zu
stehen:
KV
+
1 = TVan
oder
anders herum:
TVan
– 1 = KV
Bei
den Stirlingmotoren, die ich in der Vergangenheit
betreut habe, drängt sich jedenfalls diese mathematische Beziehung auf.
Eine
physikalisch-thermodynamische Herleitung wäre wünschenswert und
vielleicht
gelingt diese auch einmal in einer wissenschaftlichen Arbeit. Solange
dieser Beweis
noch nicht erbracht ist, müssen wir uns mit dem empirischen Befund
zufriedengeben:
Fangen
wir mit Niedrig-Temperatur-Stirlingmotoren an. Ein
Modell, das bereits mit Handwärme im Leerlauf läuft,
besitzt ein Arbeitskolben-Hubvolumen, das 25 mal kleiner ist als sein
Verdrängerkolben-Hubvolumen. Um das Kolbenverhältnis zu bekommen, muss
das
Arbeitskolben-Hubvolumen durch das Verdränger-Hubvolumen geteilt
werden. 1
durch 25 gleich 0,04. Die
Körpertemperatur eines Menschen beträgt 36°C, an der Hand 32°C (309
K). Auf der kalten Seite setzen wir eine Raumtemperatur von 20°C voraus
(293
K). Das Leerlauf-Temperaturverhältnis ergibt sich aus 309 K durch 293 K
gleich
1,05. Zieht man von 1,05 1 ab, so ergibt dies fast das Kolbenverhältnis
des
Modells (geringfügig darüber deshalb, weil sich das Modell ja noch
drehen muss).
Bei
dem Solarmotor Sunwell (Bild links), den ich 1997 testen konnte,
betrug das Hubvolumen des Arbeitskolbens nur ein Zehntel des Hubvolumen
des
Verdrängerkolbens (Kolbenverhältnis 0,1).
Kommen
wir zu dem Glas-Stirling-Modell, das ich in
den 80-iger Jahren entwickelt habe (Bilder rechts). Dieser Motor
besitzt ein
Kolbenverhältnis
von 0,64. Durch
Infrarot-Bilder konnten
wir die Temperaturen
im heißen Teil ermitteln. Er benötigte zum Anwerfen ungefähr 220°C (493
K). Auf
der kalten Seite nehmen wir wieder 20°C an (293 K). Sein
Anwurf-Temperaturverhältnis berechnet sich also
folgendermaßen: 493 K durch 298 K gleich 1,65. Diese Zahl um 1
reduziert ergibt
0,65 - wieder beinahe das Kolbenverhältnis des Motors.
Als
letztes soll hier ein mit Helium aufgeladenen
Stirlingmotor genannt werden, damit klar wird, dass auch bei diesen
Maschinen
die oben genannte Regel gilt. Dieser 2 kW starke Motor LG1-100 (Bild
links), den ich
von 1998
bis 2004 entwickelt habe, war ein Beta-Typ mit gleichem Hub bzw.
Durchmesser
beim Verdränger- und Arbeitskolben. Das Kolbenverhältnis betrug also 1.
Ab 320°C
ging er vom Schlepp-Modus in den Generator-Modus
über und zu diesem Zeitpunkt betrug der kalte Teil bereits 25°C. Das
Temperaturverhältnis berechnet sich aus 593 K durch 303 K gleich 1,99.
Diese
Zahl um 1 reduziert ergibt 0,99 - wieder beinahe das Kolbenverhältnis
des
Motors. Sicher
trifft diese Regel nicht immer derart genau zu. Sie
kann bis zu 10 Prozent abweichen. Aber das liegt dann meistens an
Schwergängigkeiten im
Getriebe, Undichtigkeiten oder an Temperaturfühlern, die nicht richtig
platziert
sind.
Der Motor war bei 50°C anzuwerfen, wenn er mit 20°C kaltem
Wasser gekühlt wurde. 50°C entspricht 323 K. 20°C entspricht 293 K. 323
K durch
293 K gleich 1,1. Auch hier ist das Temperaturverhältnis um 1 größer
als das
Kolbenverhältnis.