Ziele:
Möglichst
kompakter Motor
Holzhackschnitzel-
oder Pelletts-Befeuerung
Kraft-Wärme-Kopplung
Die
Kompaktheit eines Heißgasmotors entscheidet sich an zwei
Dingen:
Erstens
an der Aufladung: je höher der Mitteldruck gewählt
wird, umso niedriger ist das Leistungsgewicht (Gewicht durch Leistung)
bzw. das
Leistungsvolumen (Gewicht durch das umbaute Volumen). Um dem Ziel
gerecht zu
werden, entscheiden wir uns für die Aufladung mit Helium und visieren
einen
Druck von 30 bar an.
Zweitens
kann ein Motor, der nur ein wenig über seiner
Anwurf-Temperatur, und damit
noch fast
im Leerlauf läuft, kaum als kompakt bezeichnet werden. Die
Betriebstemperatur
sollte also erheblich höher liegen als die Anwurf-Temperatur. Dieser
Temperatur-Aufschlag-Faktor sollte nach meiner Erfahrung zwischen 1,3
und 1,35
liegen. Wir werden weiter unten mit einem Faktor von 1,333 bzw. dem
reziproken
Faktor 0,75 rechnen.
Die
Temperatur im Heißteil entscheidet sich übrigens an der
Heizungsart. Wir unterscheiden hier im Wesentlichen drei verschiedene
Level:
1. Stark
konzentrierte Flammen und
typische Heißteil-Temperaturen von über 700°C bei Erdgas, Benzin oder
Dieselöl
oxidiert mit reinem Sauerstoff. Keine Stickstoff- und Argonanteile im
Brenngas.
Solche Flammen werden in schwedischen U-Booten erfolgreich angewendet.
2. Konzentrierte
Flammen und typische
Heißteil-Temperaturen von um die 650°C bei fossilen Brennstoffen, die
mit Luft
oxidiert werden. In der Luft befindet sich ein Stickstoff-Anteil von
78% und ein Argon-Anteil von 1%. Diese Gase sind für die Flamme nicht
brauchbar. Lediglich der Sauerstoff-Anteil von 21%
trägt zur
Verbrennung bei.
3. Schwach
konzentrierte Flamme und
Heißteil-Temperaturen von typisch 530°C bei regenerativen Feuergasen.
Darunter
fallen Befeuerungen mit Holzpellets, Holz-Hackschnitzel bzw. deren
vergaste
Varianten, Befeuerungen mit Biogas, Deponiegas und Klärgas. Alle diese
Brenngase besitzen nur wenig reaktive Gase wie Methan und Sauerstoff,
da zu den
nicht brauchbaren Gasen der Luft (Stickstoff und Argon) nun noch ein
hoher
Anteil von Kohlendioxyd und Wasserdampf dazukommen. Man nennt solche
Gase auch
Schwachgase.
Von
unserer Zielvorgabe her müssen wir leider vom letzten
Level ausgehen, mit Heißteil-Temperaturen von 530°C (bei vollem
Arbeitsgas-Druck).
Außerdem
haben wir eine Kraft-Wärme-Kopplung im Auge. Das
bedeutet, dass wir z.B. mit 45°C Wassertemperatur in den Kühler gehen,
mit 55°C
herauskommen und damit eine typische Arbeitsgas-Temperatur von um die
80°C im
Kaltteil des Motors erreichen.
Damit
steht das Temperaturverhältnis unseres Biomotors im
Betrieb fest. Da bei Temperaturverhältnissen immer vom absoluten
Nullpunkt
(-273°C) ausgegangen wird, rechnen wir die beiden Temperaturen
in die
Kelvin-Skala um: 530°C entsprechen 803 K und 80°C entsprechen 353 K.
803 K
durch 353 K ergibt ein Temperaturverhältnis von 2,3.
Nun benutzen wir wie oben angedeutet den reziproken Faktor des Temperatur-Aufschlages gegenüber dem Leerlauf. Wir multiplizieren das Temperaturverhältnis des Betriebes mit 0,75 und erhalten das Temperaturverhältnis des Leerlaufes: 2,3 mal 0,75 gleich 1,72. Dies ist nun das Temperaturverhältnis, bei der unser Motor angeworfen werden kann oder bei der er am Ende einer Laufzeit austrudelt. Es ist das Temperaturverhältnis, bei dem die Kompression des Motors gerade so überwunden wird.
Mit
diesem Temperaturverhältnis können wir nun das
Kolbenverhältnis bestimmen. Um es schon einmal vorwegzunehmen, muss von
den
1,72 genau 1 subtrahiert werden. Heraus kommt also ein Kolbenverhältnis
von 0,72.
Im
folgenden wollen wir uns nun mit der Herleitung dieses
Sachverhaltes der Subtrahierung um 1 beschäftigen. Allerdings nicht wie
wir
das sonst gewohnt sind, durch eine mathematische (in diesem Fall
thermodynamische) Herleitung. Eine solche Herleitung wäre absolut
wünschenswert
und vielleicht gelingt durch eine Diplomarbeit oder andere adäquate
Studien einmal
solch ein
Nachweis. So lange, wie dies nicht der Fall ist, wollen wir die
Herleitung
empirisch bewältigen. Wir brauchen dazu nur bei verschiedenen
existierenden
Stirlingmotoren die Kolbenverhältnisse mit ihren bekannten bzw.
gemessenen
Leerlauf-Temperaturverhältnissen zu vergleichen.
Ein
Modell, das bereits mit Handwärme im Leerlauf läuft,
besitzt ein Arbeitskolben-Hubvolumen, das 25 mal kleiner ist als sein
Verdrängerkolben-Hubvolumen. Um das Kolbenverhältnis zu bekommen, muss
das
Arbeitskolben-Hubvolumen durch das Verdränger-Hubvolumen geteilt
werden. 1
durch 25 gleich 0,04. Die
Körpertemperatur eines Menschen beträgt 36°C, an der Hand 32°C (309
K). Auf der kalten Seite setzen wir eine Raumtemperatur von 20°C voraus
(293
K). Das Leerlauf-Temperaturverhältnis ergibt sich aus 309 K durch 293 K
gleich
1,05. Zieht man von 1,05 1 ab, so ergibt dies fast das Kolbenverhältnis
des
Modells (geringfügig darüber deshalb, weil sich das Modell ja noch
drehen muss).
Sicher
trifft diese Regel nicht immer derart genau zu. Sie
kann bis zu 10 Prozent abweichen. Aber das liegt dann meistens an
Schwergängigkeiten im
Getriebe, Undichtigkeiten oder an Temperaturfühlern, die nicht richtig
platziert
sind. Kommen
wir zurück zu unserer anfänglichen Berechnung des
Biomassemotors. Wir
hatten festgestellt: Für die Feuerung mit
Hackschnitzel oder Holzpellets benötigen wir ein Kolbenverhältnis von
0,72 ! Ein
Kolbenverhältnis von 0,72 bedeutet, dass der
Verdränger z.B. einen Durchmesser von 100mm und der Arbeitskolben einen
Durchmesser von 85mm besitzt, wenn die beiden Hübe gleich sind. Denn
die Gleichung
lautet: Das
Kolbenverhältnis des Stirlingmotors ist gleich dem Hubvolumen des
Arbeitskolbens dividiert durch das Hubvolumen des Verdrängerkolbens
Schließlich
kommt noch die gewünschte Leistung ins Spiel. Die Leistung hängt vor
allem vom Bauvolumen des Motors ab. Dazu
mehr im Beitrag „Stirlingpower“ auf dieser Internetseite. Nachdem
auch die Leistungsberechnung durchgeführt wurde, liegen nun alle Größen
für die Konstruktion unseres Biomasse-Stirlingmotors fest.Fangen
wir mit Niedrig-Temperatur-Stirlingmotoren an.
Bei
dem Solarmotor Sunwell (Bild links), den ich 1997 testen konnte,
betrug das Hubvolumen des Arbeitskolbens nur ein Zehntel des Hubvolumen
des
Verdrängerkolbens (Kolbenverhältnis 0,1).
Der Motor war bei 50°C anzuwerfen, wenn er mit 20°C kaltem
Wasser gekühlt wurde. 50°C entspricht 323 K. 20°C entspricht 293 K. 323
K durch
293 K gleich 1,1. Auch hier ist das Temperaturverhältnis um 1 größer
als das
Kolbenverhältnis.
Kommen
wir zu dem Glas-Stirling-Modell, das ich in
den 80-iger Jahren entwickelt habe (Bilder rechts). Dieser Motor
besitzt ein
Kolbenverhältnis
von 0,64. Durch
Infrarot-Bilder konnten
wir die Temperaturen
im heißen Teil ermitteln. Er benötigte zum Anwerfen ungefähr 220°C (493
K). Auf
der kalten Seite nehmen wir wieder 20°C an (293 K). Sein
Anwurf-Temperaturverhältnis berechnet sich also
folgendermaßen: 493 K durch 298 K gleich 1,65. Diese Zahl um 1
reduziert ergibt
0,65 - wieder beinahe das Kolbenverhältnis des Motors.
Als
letztes soll hier ein mit Helium aufgeladenen
Stirlingmotor genannt werden, damit klar wird, dass auch bei diesen
Maschinen
die oben genannte Regel gilt. Dieser 2 kW starke Motor LG1-100, den ich
von 1998
bis 2004 entwickelt habe, war ein Beta-Typ mit gleichem Hub bzw.
Durchmesser
beim Verdränger- und Arbeitskolben. Das Kolbenverhältnis betrug also 1.
Ab 320°C
ging er vom Schlepp-Modus in den Generator-Modus
über und zu diesem Zeitpunkt betrug der kalte Teil bereits 25°C. Das
Temperaturverhältnis berechnet sich aus 593 K durch 303 K gleich 1,99.
Diese
Zahl um 1 reduziert ergibt 0,99 - wieder beinahe das Kolbenverhältnis
des
Motors.
Die einzige
leistungsunabhängige Frage ist noch die nach
dem Verhältnis von Hub und Durchmesser. Nun, die meisten
Stirlingmotoren sind
Kurzhuber mit einem Hub von ca. halbem Durchmesser, aber es gibt auch
Konstruktionen mit bis zu 0,8 mal dem Durchmesser als Hub. Diese
Motoren können
nicht ganz so schnell durchgehen, da sie bei Überdrehzahl große
Strömungswiderstände entwickeln.
Bisher
ging es um Beta- und Gamma-Typen, also um echten
Stirlingmotoren. Bis zu einer Leistung von 100 KW sind Stirlingmotoren
mit Biomasse-Feuerung unschlagbar im Vorteil. Trotzdem soll im
folgenden der Ridermotor (Alpha-Typ) als Biomassemotor diskutiert
werden.
Natürlich benötigen wir beim Ridermotor
(Alpha-Typ) ebenfalls ein Kolbenverhältnis von
0,72, wenn wir ihn mit Biomasse oder Biogasen befeuern wollen. Dieses
Kolbenverhältnis wird allerdings ganz anders berechnet. Obwohl es
keinen Verdränger gibt und eine doppelte Anzahl von Arbeitskolben,
können wir ein
Kolbenverhältnis bestimmen. Wir müssen dazu
generalisieren:
Das Verdränger-Hubvolumen eines Stirlingmotors kann auch als das Gasvolumen angesehen werden, das die mittlere Ebene des Regenerators durchstreicht. Da es beim Ridermotor ebenfalls dieses Swept-Volumen gibt, kommt es bei der Rechnung in den Nenner.
Damit bekommen wir folgende neue Gleichung für das Kolbenverhältnis heraus:
Das Kolbenverhältnis bei Ridermotoren ist gleich dem Differenzvolumen im Arbeitsraum dividiert durch das Swept-Volumen in RegeneratorFür einen kleinen Biomassemotor in Rider-Bauweise brauchen wir einen V-Motor mit 140° Phasenwinkel.
Dieser Biomasse-Ridermotor
hätte allerdings wie oben bereits erwähnt, gegen den Stirlngmotor keine
Chancen. Das liegt an den Kolbenring-Reibungen, die doppelt vorliegen
und der doppelten Längswärmeleitung einmal am Zylinder und andererseits
am Regenerator-Gehäuse. Möchte man diese Nachteile wettmachen, kann man
nur mit den doppeltwirkenden Siemensmotor kontern. Deshalb schauen wir
uns im Folgenden diesen Motor an.
Das Kolbenverhältnis beim Siemensmotor
Aber wie sieht es mit anderen Zylinder-Anzahlen aus? MAN hat in den 70-er Jahren einen 6-Zylinder-Siemensmotor gebaut, der mehr als 250kW geleistet hat. Welche Zylinder-Anzahl wäre für die Biomasse-Verbrennung geeignet? Bei welcher Zylinder-Anzahl wird ein Kolbenverhältnis von 0,72 und ein Phasenwinkel von 140° erreicht?
Um
diesen Fragen nachzugehen, müssen wir uns den
Übergang vom Ridermotor zum Siemensmotor genauer anschauen (Skizze
rechts):
Durch
das
Verlegen des Kühleranschlusses auf die
Rückseite des rechten Arbeitskolbens, werden die Totpunkte im
Kompressionsraum
„umgepolt“. Zweitens kehrt sich die Drehrichtung des Motors um.
Drittens trennt
sich der Zylinderachs-Zwischenwinkel vom Phasenwinkel: rechts war ein
Motor für
fossile Brennstoffe mit 120° Zylinderachs-Zwischenwinkel und 120°
Phasenwinkel
skizziert, links haben wir zwar immer noch einen 120°
Zylinderachs-Zwischenwinkel aber die beiden OT´s folgen nun in 60°
Phase, wie die linke
Doppel-Skizze zeigt.
Dasselbe
gilt auch für die beiden UT`s, auf deren
Darstellung hier jedoch verzichtet werden soll. Auch sie folgen in
60°-Phase.
Ein
Ridermotor
mit 60° Phasenwinkel können wir aber
gar nicht gebrauchen. Seine Anwurf-Temperatur läge sicher weit über
1000°C. Für
Hochtemperatur-Anwendungen mit fossilen Brennstoffen könnten wir aber
120°
Phasenwinkel gebrauchen. Tatsächlich müssen wir dazu jetzt den
Zylinderachs-Zwischenwinkel auf 60° setzen, für 130° Phasenwinkel dann
spiegelbildlich 50° Zylinderachs-Zwischenwinkel und für unseren
Biomotor mit
140° Phasenwinkel schließlich 40° Zylinderachs-Zwischenwinkel. Das
Diagramm rechts
veranschaulicht die symmetrische Situation.
Kommen
wir zum spannenden Resultat:
360°
(ein Kreis von Zylindern im Siemensmotor) dividiert
durch 40° Zylinderachs-Zwischenwinkel ergibt 9 (in Worten : neun)
Zylinder !!! Motoren
mit derart vielen Zylindern sind wahrscheinlich
erst ab 100kW wirtschaftlich. Aber ein solcher Siemensmotor würde mit
250°C
angeworfen werden können und ab 530°C seine volle Wirtschaftlichkeit
erzielen.
Sicher
fragt es sich, wie ein solcher am Schreibtisch
konzipierte Motor mit 9 Zylindern verwirklicht werden kann, die
Getriebemechanik, die Auswuchtung usw. usw.
Einfacher
wäre hier ein
8-Zylindermotor, der immerhin noch
bei 280°C anzuwerfen wäre. Man könnte hier auch zwei nebeneinander
laufende
4-Zylinder–Siemensmotoren wie es beim dänischen Motor SM 38
verwirklicht wurde, benutzen,
beide Systeme in sich auswuchten, die Kurbelwelle zwischen den beiden
Systemen
um 45° verdrehen und dann jeden Zylinder des einen Systems mit einem
entsprechenden Zylinder des anderen Systems gashydraulisch verbinden,
so dass
immer Phasenwinkel von 135° herauskommen. Ein solcher Motor würde
möglicherweise weit mehr Leistung besitzen, wie die 70 kW des
SM 38 heute und
dabei ruhig
und stabil laufen, auch wenn mal kurz Hackschnitzel mit höherem
Wassergehalt in
die Verbrennung geraten.
Diesen Motor halte ich
für den
Hackschnitzelmotor der
Zukunft ! – jedenfalls was Heißgasmotoren über 100 kW angeht. Bei der
Leistungsklasse unter 100 kW halte ich nicht irgendeinen Rider- oder Siemensmotor, sondern den Stirlingmotor mit einem KV
von 0,72 und einem Phasenwinkel von um die 70° zielführend.