Warum
gibt es keinen normalen Stirlingmotor mit richtigem Kurbelgetriebe zu
kaufen?
Es fragt
sich allerdings, warum es bis heute keiner
Firma gelungen ist, einen normalen Stirlingmotor mit
rotierendem
Kurbeltriebwerk erfolgreich auf den Markt zu bringen.
Das
hat meines Erachtens vielfältige Gründe. Einige davon sind in den
anderen
Beiträgen dieser Internetseite angeklungen. Ich will sie hier noch
einmal
zusammenfassen, konkretisieren und durch weitere Gründe ergänzen. 1. Der
Alpha-Typ wird gerne als
Motor-Konzept genommen, weil er einfach zu bauen zu sein scheint. In
der
irrigen Meinung, dass dieser Ridermotor ein Stirlingmotor darstellt,
wird der
90°-Phasenwinkel vom Stirlingmotor in der Konstruktion verwirklicht. Aber
der richtige
Phasenwinkel
beim Ridermotor mit Erdgasbefeuerung beträgt 120°, wenn Biogas, Hackschnitzel oder Pellets
verfeuert
werden sollen, sogar 130° bis 135° (siehe Beitrag „Definition
Stirling /
Rider“ ab Mitte dieses Beitrages). Der richtige Phasenwinkel beim
professionellen
Stirlingmotor
liegt übrigens auch nicht bei 90°, sondern zwischen 60° und 80° (siehe
Beitrag Der Phasenwinkel).
2. Ein
Stirlingmotor dritter Generation
(siehe Beitrag Checkliste Stirlingmotor)
benötigt als Trockenläufer ein
Anlenkhebel-Triebwerk, zumindest am Arbeitskolben, um die
Querkräfte wenigstens zu minimieren. Die Lebensdauer bleibt
sonst
auf 200
bis 500 Stunden begrenzt. 3. Die
Lagerkräfte werden immer noch nach
dem uralten pV-Diagramm mit zwei Isothermen berechnet (siehe Beitrag Funktionsweise
Stirlingmotor). Aber
kein heutiger Leistungsmotor folgt den
Isothermen, sondern wie bei allen schnelllaufenden Motoren Adiabaten.
Bei folgerichtiger, adiabatischer Betrachtungsweise verdoppeln sich
aber die
Lagerkräfte, was erhebliche Lebensdauer-Einbußen mit sich bringt und
bei der Berechnung der Lager
berücksichtigt werden
muss. 4. Die
Wälzlager des Stirlingmotors müssen
automatisch nachgeschmiert werden, um die Lebensdauer ungefähr zu
verzehnfachen. Dies gilt vor allem an den rotierenden Lagerstellen,
also der
Kurbel und der Welle. (Der Motor muss dazu angehalten werden, die
Kurbel in
eine bestimmte Position geschwenkt werden und ein Schmiergeber muss
gegen die
Schmiernippel fahren und Fett abgeben. Sensoren in den Lagern müssen
melden,
dass erfolgreich gefettet wurde und der Schmiergeber muss wieder in
seine
Ausgangsstellung zurückfahren und arretieren.) Bei Lagerstellen mit
pendelnder
Bewegung genügen wahrscheinlich vergrößerte Fett-Depots. Beides muss
entwickelt
werden und das bedeutet Tests über mehrere Jahre. 5.
Der
beste Stirlingmotor taugt nichts,
wenn er alleine dasteht. Ein Brenner muss angepaßt (adaptiert) werden.
Die
meisten Firmen unterschätzen eine Brenner-Entwicklung. Besonders bei
regenerativen Brennstoffen benötigt man eine Parallel-Entwicklung von
mehreren
Jahren. 6. Aus
den bisherigen fünf Punkten geht
bereits klar hervor, dass es Zeit braucht, um Stirlingmotoren zur
Marktreife zu
bringen. Das Management einer Firma steckt sich
heutzutage enge
Zeitrahmen mit Meilensteinen usw. Solche Zeitpläne sind sinnvoll, wenn
es um
die Skalierung (Vergrößerung oder Verkleinerung) oder einer
Modernisierung
einer Maschine geht, aber nicht bei einem technischen System, das von
null auf
entwickelt werden muss. Entwicklungsschleifen sind oft in den
Zeitplänen gar
nicht vorgesehen. Und mit solchen Zeitplänen geht dann auch ein zur
Verfügung
stehendes Budget einher. Die Kosten für eine
Stirlingmotoren-Entwicklung im 1-kW-Bereich würde
ich heute auf 25.000 bis 30.000 Mannstunden schätzen, mit der DIN ISO
9001
auf ein Mehrfaches. 7. Wenn
von einem Auto 1910 erwartet
worden wäre, dass es 300.000 km läuft (die Laufleistung eines
Motors kam damals nicht über 5000 km), wäre das Auto nie entwickelt
worden.
Aber mit dem Stirlingmotor geht man gnadenlos um. Er muss gleich 40.000
Betriebsstunden bei Volllast fahren können – und das am liebsten ohne
jede
Wartung. Hier muss man einen kühlen Kopf bewahren. Es geht auf keinen
Fall, dass auf dem Prospekt zigtausende Stunden Betriebszeit
garantiert werden und man die gesamte Erprobung beim Kunden
macht, statt
im eigenen
Maschinenlabor. Damit setzt man den guten Ruf des Stirlingmotors aufs
Spiel, ganz zu schweigen von dem Vertrauen, das man beim Kunden
zerstört. 10.000 Stunden im Maschinenlabor und anschließender positiver
Befundung der Laufflächen in den Wälzlagern - das muss schon sein,
bevor
wir in den Verkauf gehen. Und auch dann dürfen wir uns als Entwickler
nicht in die Enge treiben
lassen, sondern selbst die Initiative ergreifen und alternative
Konzepte finden. Eine Möglichkeit sehe ich im Austauschmotor, solange
wie zum Beispiel keine automatische Nachschmierung entwickelt worden
ist, oder diese noch nicht störungsfrei funktioniert. Über Sensoren und
Modem kann man frühzeitig erkennen, wann ein Austausch nötig ist, fährt
zum Kunden, nimmt den Austausch vor und kann in der Firma in aller Ruhe
die Maschine aufmachen. Damit fallen auch Reparaturen im Keller des
Kunden weg, die ohnehin nur unkontrolliert Staub ins Getriebe
bringen würden. Zu einem solchen Konzept muss man aber von vorne herein
stehen, d.h. es auch vorher ankündigen. Schlecht wäre es dagegen, nach
dem Motto "sehn wir mal" zu verfahren und irgendwann kleinlaut mit dem
Austauschen zu beginnen, wenn es gar nicht mehr anders geht. Aber
vielleicht gibt es neben dem Austauschmotor in Zukunft noch
andere tragbare Alternativen. Benennung Lebensdauerverkürzung,
geschätzt Art
des Grundes Grund
1 Phasenwinkel 3
x Wissen
lückenhaft Grund
2 Anlenkhebel Limitierend
auf 500 Std. Wissen
lückenhaft Grund
3 Adiabatik
/ Lagerkräfte 5
x Wissen
lückenhaft Grund
4 Nachschmierung 10
x Wissen
lückenhaft Entwicklung
nötig Grund
5 Brennerentwicklung Entwicklung
nötig Grund
6 Management Umdenken
nötig Grund
7 Austauschmotor
u.a. Umdenken
nötig Vier
der sieben Gründe resultieren aus Wissenslücken. Nun,
gegen Unwissenheit kann man etwas tun. Die Motivation für diese
Internetseite
war es anfangs, genau hier Abhilfe zu schaffen. Dann aber, das muss ich
zugeben,
hat mir das Schreiben selbst und das Veröffentlichen sehr viel Spaß und
Freude
gemacht, weil ich wieder gemerkt habe, wie genial dieser Motor ist. Es
bleibt
zu hoffen, dass es einer Firma gelingt, endlich den Durchbruch mit
einem
Stirling-Aggregat zu schaffen und sich am Markt zu etablieren. .
Als Motor mit Getriebe hat er gegenüber dem Freikolben-Stirlingmotor
den Vorteil, dass er verschiedene Drehzahlen und damit auf verschieden
Wirkungsgrade
und Leistungen gefahren werden kann. Gerade in der häuslichen
Anwendung, bei
der man meistens kleine Leistungen mit gutem Wirkungsgrad benötigt und
nur
selten, aber dann unbedingt auch einmal große Leistungen, wäre der
„normale“
Stirlingmotor von großem Wert.
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