Die Stirling-Pyramide
Man muss
wissen, was man will und was man kann
Es
gibt viele Unterschiede zwischen Heißgasmotoren. Die
Typologie scheint keine Grenzen zu kennen.
Neben
den sogenannten Typen Alpha, Beta und Gamma gibt es die vielfältigsten
Bauformen nach Kolben-Variationen und Triebwerks-Variationen (siehe
Literatur,
z.B. „Stirlingmaschinen“ von Martin Werdich und Kuno Kübler; Seite
39-55 und
58-70 in der 12. Ausgabe, bzw. Seite 27-35 und 39-46 in der 13.
Auflage).
Darüber
hinaus kann man deutlich zwischen drei Generation unterscheiden:
- die
großen, offenen Motoren mit Tropföl-Schmierung des 19. Jahrhunderts
- die
geschlossenen Maschinen mit Spritzöl-Schmierung ab 1938 und
- die
fettgeschmierten Trockenläufer, etwa ab 1980
Aber
es gibt noch ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ,
auf das selten eingegangen wird, obwohl es allgegenwärtig ist. Ich
denke, es
ist am besten, dieses Merkmal einmal als Pyramide aufzuzeichnen (siehe
unten).
Dabei
will ich den Modellbauer nicht schmähen und schon gar nicht abwerten,
der ein
formvollendetes Modell für den Schreibtisch fertigt. Ein solches Modell
ist als
Wegbereiter genauso
wertvoll wie eine wirtschaftliche Kraft-Wärme-Kopplung im Keller. Aber
es gibt
dazwischen große Unterschiede.
Bei
der Stirling-Pyramide geht es um diese Unterschiede, nicht um
Qualitäts-Stufen
und schon gar nicht um gut oder schlecht konstruierte bzw. gefertigte
Maschinen.
Jeder,
der einen Stirlingmotor plant, muss wissen, was er will
(Anwendung) und kalkulieren, was er zu investieren bereit ist –
finanziell, zeitlich
und
organisatorisch. Es geht also um eine Art Level oder noch besser einen
Stand,
den der Stirlingmotor inne hat.
Außerdem
kann die Stirling-Pyramide dazu dienen, zu erkennen, welche Maßnahmen
nötig
wären, um bei der nächsten Konstruktion einen nächst höheren Stand zu
erreichen. Der Aufwand wird nach oben hin immer größer. Das muss man
wissen,
wenn man z.B. bessere Wirkungsgrade oder ein besseres Leistungsgewicht
erreichen will.
Die
Einteilung in die verschiedenen Pyramiden-Stufen habe ich durch
Vergleich
vieler Stirlingmotoren (auch selbstgebauter) getroffen. Sie erhebt
keinen
Anspruch auf Vollständigkeit oder „richtige“ Reihenfolge. So kann man
sich
durchaus vorstellen, dass bei Modellen auch angepasste Phasenwinkel von
z.B. 70°
gebaut werden, aber der Normalfall wird das nicht sein.
Die
Zahlenangaben sind alle mit dem Etikett „ungefähr“ und „ca.“ zu
verstehen, sie
bezeichnen lediglich den Trend, der sich bei den Stufen abzeichnet.
Jedenfalls
sollte anhand dieser Pyramide ein Käufer abschätzen können, ob ein
Motor, der
ihm angeboten wurde, das hergibt, was er sich von der Maschine erhofft
hat.
Der Sprung vom Modellmotor zum Projektmotor
Wer bisher Erfahrungen mit einem Modellmotor gemacht hat, will mehr. Ein bisschen Leistung
- wenigstens 200 W - das sollte doch möglich sein! Doch der Sprung
ist groß. Deshalb gibt es kaum Motoren in dieser Leistungsklasse, die
Einzelne auf den Weg gebracht haben. Ein Leistungsmotor benötigt gleich
fünf Dinge mehr als ein Modellmotor. Fehlt eines dieser fünf Maßnahmen, so
kommt entweder die gewünschte Leistung nicht heraus oder der Motor ist
sehr schnell verschlissen. In der Biologie nennt man das eine
nichtreduzierbare Komplexität.
- Der
Modellmotor verbraucht ein Großteil seiner thermodynamisch erzeugten
Leistung selbst in Form von Reibung am ölgeschmierten Arbeitskolben.
Diese Reibung gilt es zu minimieren. Dies erreicht man durch den
Trockenlauf. Das Pleuel wird durch einen Anlenkhebel unterbrochen und
die restlichen Querkräfte durch eine Teflonbandage am Arbeitskolben
abgefangen. Der Zugewinnfaktor beträgt ca. 2,5.
- Das
Gehäuse des Motors wird abgedichtet und der Mitteldruck im Gehäuse
erhöht. Zugewinnfaktor (wenn dies einhergeht mit den zwei nächsten
Maßnahmen): linear, das heißt bei 2 bar Faktor2, bei 5 bar Faktor 5, bis 20 bar,
danach wir Luft immer zäher.
Gefährlich wird es ab 40 bar, wegen Fett-Explosion ausgehend von den Kugellagern. Vorsicht bei
Druckluft: wenn sie nicht getrocknet wurde, entsteht Rost im Getriebe.
Ein höherer Druck im Erhitzer bedeutet, dass dieser unbedingt aus
Edelstahl gefertigt werden muss! Ansonsten besteht Explosionsgefahr.
- Wer
hinten aus einem Stirlingmotor richtig viel mechanische Leistung
herausbekommen will, muss vorne entsprechend viel Wärmeenergie
zuführen. Und das geht nicht mehr über eine noch höhere Temperatur,
sondern nur über eine noch größere Oberfläche. Rippen sind gefragt, vor
allem außen,
nicht aus Messing oder Alu - das wäre angenehm leicht zu fertigen,
sondern aus
Edelstahl! Und lange Rippen schaden eher, kurze , viele Rippen müssen
es schon sein. Sie zu drehen ist möglich, aber eine Geduldsarbeit.
Schweißen geht kaum, Löten rate ich nur, wenn man eine Firma mit einem
Hochvakuum-Ofen kennt. für größere Leistungs-Motoren sind statt Rippen
Röhrchen angesagt, entweder angeschweißt oder auch hochvakuumgelötet.
- Ein hohes Drehmoment ist dem Stirlingmotor aber erst zu entlocken, wenn er über
einen passenden Regenerator verfügt. Am besten eignen sich
Edelstahlgewebe, finanziell günstiger und thermodynamisch kaum
schlechter sind gestrickte Edelstahl- Strümpfe, wie sie als Filter in
Flüssigkeits-Leitungen oder Defibratoren im Auspuff-Bereich verwendet
werden (siehe auch Beitrag "Regenerator"). Am besten ist es, die
Durchmesser der Zylinder und Kolben bei einer Neu-Konstruktion nach den
Regeneratoren zu dimensionieren, die man auf dem Markt findet.
- Schließlich hilft ein Leistungsmotor nichts, wenn wir seine Leistung nicht beherrschen.
Wir sollten uns also ein paar Gedanken zur Leistungs-Regelung machen.
Außerdem kann ein Leistungsmotor durchgehen, und dieser Fall kann
schneller eintreten, als einem lieb ist. Dann war alle Arbeit umsonst
und der Motor ist hin. Es braucht nur ein Keilriemen zu reißen oder
jemand stolbert über das Kabel, das den Generator mit der aufzuladenden
Batterie verbindet. Ab einer bestimmten Überdrehzahl sollte ein
akustisches Warnsignal unüberhörbar sein und bei einer nur geringfügig
höheren Drehzahl sollte eine Fliehkraftbremse (siehe auch Beitrag "Die
Bremse") das Schlimmste verhindern. Denn auch wenn man die Feuerung
sofort abstellt, nimmt die Temperatur am Erhitzer nur langsam ab - viel zu langsam.
Diese
fünf Zusatzmaßnahmen braucht man also, um einen Leistungs-Stirlingmotor
zu bauen. Ging es bei einem Demonstrationsmotor vielleicht noch mit
Pleuel aus Holz, hier ist spätestens Schluß damit. Und bei einem
Stirlingmotor, der zwischen 100 und 200W leisten soll, muss man einen
Arbeitskolben-Durchmesser von mindestens 45 mm einplanen, der
Verdränger-Durchmesser mindestens 50 mm. Der Hub kann 40 mm betragen.
Hier merkt man schnell, das sind keine Dimensionen mehr, wie sie bei
Modellmotoren üblich sind.
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