Wer ein Haus baut, baut es nicht, um in der Gegenwart darin zu wohnen, sondern in der Zukunft. Es ist also logisch und nur konsequent, sich als Bauherr zu fragen, wie die Zukunft aussieht. Zum Beispiel die zukünftige Bereitstellung von Wärmeenergie. Wie weit reicht das Erdöl noch? Statistiken vom Bundeswirtschafts-Ministerium anfordern, Taschenrechner zücken und ran geht’s an die Arbeit: Erdöl bis 2036, Erdgas 10 Jahre länger und bis dahin wahrscheinlich schon fast unendliche Preissteigerungen. Also umdenken – fossile Heizstoffe nur noch als Lückenbüßer vorsehen, ansonsten Sonnenenergie nutzen, soviel es geht.
Das waren meine Überlegungen, als unser Bauspar-Vertrag 1999 langsam reif wurde. Ich wollte für unsere Familie ein kostengünstiges Solarhaus planen und entdeckte sehr schnell, dass dieses Konzept nur funktioniert, wenn man ganz bestimmte Voraussetzungen einhält:
Aber
das wichtigste neben den Sonnenkollektoren ist der
Solarspeicher. Er sollte so groß sein, dass er regnerische Sommerphasen
überbrückt und nicht nur Warmwasser macht, sondern im Frühjahr und
Herbst auch
Heizenergie einspart. Der Abschied von den damals käuflichen
Solarspeichern von
800 Liter war also angesagt. Wie groß aber sollte er sein? Reichen 5 m³
oder
20m³? Der Schweizer Solarpionier Jenni hat es ausprobiert. Er baute
unter
seinem Einfamilienhaus von 130m² Wohnfläche einen doppelstöckigen
Keller mit
insgesamt 118m³ Wasserspeicher. Das stellte sich allerdings als zu groß
heraus.
Um auch über den schlimmsten Winter zu kommen, dürften nach dieser
Erfahrung
40m³ ausreichen. Für einen solch großen Speicher braucht man aber immer
noch
einen doppelstöckigen Keller. Die Kosten gehen deshalb erst bei unter
25m³
drastisch herunter. Geht man unter die 5m³-Grenze, dann braucht man
wieder
zuviel Zusatz-Heizenergie. 30 Jahre lang Brennstoff einkaufen geht auch
ganz
schön ins Geld. Vergleicht man die verschiedenen Möglichkeiten, dann
ergibt
sich nebenstehendes Diagramm mit einem Sattel bei ca. 10m³
Speicher-Volumen und
einem solaren Deckungsgrad von 60%, ein durchaus vernünftiger Wert.
Damit
hätten wir unser Solarhaus beinahe schon zusammen,
wenn es da nicht noch ein großes Problem gäbe: Die zwei
unterschiedlichen Temperaturniveaus
von Heizungs- und Brauchwasser.
Heizkörper
brauchen 45°C. Bei höheren Temperaturen würde man
sich verbrennen. Fußbodenheizungen brauchen sogar nur 30°C. Und wenn es
draußen
nicht extrem kalt ist, reduzieren sich diese Temperaturen sogar noch.
Brauchwasser-Temperaturen
im Boiler liegen dagegen immer bei
60°C, ganz egal wie hoch die Außentemperatur liegt. Doch wann braucht
man 60°C?
Eigentlich nie, es wird immer mit Kaltwasser gemischt. Beim
Händewaschen und
Duschen benötigt man maximal 43°C. Wieso hält man also 60°C vor? Ist
das nicht
völlig sinnlos? – vor allem wenn man gerade bei einem Solarhaus auf
jedes
bißchen Isolationsverlust achten muß?
Dass
man diese 60°C bisher für nötig gehalten hatte, lag
nicht daran, dass man früher nicht aufs Energiesparen geachtet hat,
sondern an
einem kleinen Bakterienstamm, Legionellen genannt. Diese Einzeller
befinden
sich in geringer Konzentration in jedem Trinkwasser und vermehren sich
ab 35°C.
Ab 50°C werden sie
aber dann schon
wieder abgetötet. Wenn das Wasser des Boilers im Bereich dazwischen 5
Wochen
lang ohne Wasserentnahme steht, gilt die Konzentration für Säuglinge
und alte
Menschen als gesundheitsgefährdend (beim Einatmen der Bakterien unter
der
Dusche). Nach 8 Wochen kann es die ersten Todesfälle geben und ab 12
Wochen
auch bei gesunden Menschen mittleren Alters.
Wird
allerdings ständig Wasser aus dem Boiler entnommen,
fließt neues, unbelastetes Wasser dazu und die Konzentrationen bleiben
unter
den bedenklichen Werten. Man könnte also theoretisch einen Boiler
durchaus in
diesem Temperaturbereich gefahrlos betreiben, wenn man nach einem
längeren
Urlaub die erste Ladung Warmwasser in den Abfluß gießt. Der Mensch ist
aber
vergesslich und so stellen alle Hersteller ihre Boiler auf 60°C ein.
Nun
zum Solarhaus. Eine Reduktion der Temperatur um 5 Grad
bedeutet, dass man die Solarenergie im Winter um 10% länger nutzen
kann. Eine
Reduktion von 60 auf 40°C beutet eine Nutzungsverlängerung um 40%. Das
ist viel
Energie, die man einsparen könnte. Und ums Energiesparen geht es beim
Solarhaus! Wir kommen also voll in den fraglichen Bereich der
Legionellen
hinein und dürfen daher keinen Boiler mit hunderten von Litern
verwenden. So
eine große Menge Wasser wird nach einem Urlaub nicht schnell ersetzt.
Deshalb
sollte unser Solarhaus nur einen Rohr-Wärmetauscher bekommen. In dieser
Rohrschlange gibt es nur 2 Liter Wasser, die in wenigen Augenblicken
ersetzt
sind, noch lange bevor die Konzentration
bedenkliche Werte annimmt. Ich suchte also nach einem
Boiler, in den man
Heizungswasser füllen konnte, mit einer Rohrschlange, in der das
Brauchwasser
erhitzt werden sollte. Die Idee war also, nicht Warmwasser vorzuhalten,
sondern
Wärme.
Es
ist modern geworden, ein Boiler oben in einen
Solarspeicher zu integrieren. Dieser Weg erweist sich nun als Sackgasse
– aus
diesem Grund und noch aus zwei weiteren: Einen großen Solarspeicher
müsste man
ständig im Winter mit seiner großen Oberfläche (Isolierverluste) auf
der
Temperatur für´s Brauchwasser halten. Das ist energetischer Unsinn. Der
Boiler
muss separat installiert werden, auch noch aus einem dritten Grund: Wie
alles
in der Technik muss auch mal ein großer Speicher repariert werden
können. Das
geht bei den großen Speichern gut, wenn sie in der zweiten Winterhälfte
kalt
sind, aber während dieser Zeit brauchen die Bewohner des Hauses
trotzdem warmes
Brauchwasser, zweckmäßigerweise von einem separaten Boiler, der dann
durch
Zusatz-Heizenergie geladen wird. Die Suche nach einem geeigneten
Behälter von
200 Liter gestaltete sich schwierig. Schließlich gab ich auf und
konstruierte
einen eigenen Behälter, den ich in Auftrag gab.
Später
dachten wir allerdings zuerst, dass die Mühe wohl
vergeblich war. Denn die Dusch-Batterien, die man kaufen kann, sind
alle darauf
ausgelegt, dass auf der heißen Seite immer 60°C heißes Wasser anliegt.
In
Wirklichkeit sind diese Automatik-Thermostate keine I-Regler, die die
eingestellte Temperatur sofort nachregeln, sondern sie sind sehr
einfache
P-Regler, die nur undefiniert mehr von dem Heißwasser dazuregeln, wenn
die
gewünschte Temperatur abnimmt, ohne auf die Endtemperatur selbst zu
achten.
Jede
Dusch-Batterie hat eine Art Verbrühungsschutz. Man kann
den Stellgriff nur bis zu einer bestimmten Stellung drehen. Will man es
heißer
haben, muss man einen kleinen roten Knopf drücken und gleichzeitig
weiterdrehen. Wenn unser „Boiler“ mit 45°C geladen ist, frieren wir
unter der
Dusche, wenn wir nur bis zu dem Punkt des Verbrühungsschutzes gehen. So
mussten
wir den „Boiler“ doch wieder auf 55°C hochheizen.
Erst
viele Jahre später entdeckten wir das P-Regelverhalten
und duschen seitdem bei 45°C mit fast voll aufgedrehter Dusch-Batterie,
also
weit im Bereich des „Verbrühungsschutzes“.
Einer meiner früheren Hobbies war es, Häuser architektonisch zu zeichnen. Nun durfte ich das für mein Eigenheim tun. Fünf Entwürfe kamen in die engere Wahl, alle mit 10m³-Speicher. Schließlich blieb für unser Grundstück, auf dem bereits eine Doppelgarage stand, nur noch ein Entwurf übrig. Da das gesamte Wohnviertel mit den Grundstückskanten und den Giebeln nach Südost oder Südwest ausgerichtet war, blieb uns nichts anderes übrig, als die Solaranlage diagonal auf die Doppelgarage zu installieren. Sie ist für die Wintersonne 55° steil aufgestellt. Aber auch im Herbst und im Frühjahr sammelt sie so optimal kostbare Wärmeenergie ein. Oben auf dem Dach des Hauses wurden bereits 12 PV-Module eingeplant.
Der
10m³ große Solarspeicher sollte in der Nordecke des
Hauses seinen Platz finden. Mit über 4m Höhe steht er auf der
Bodenplatte des
Kellers und reicht bis unter die Decke des Erdgeschosses. Das Gewicht
des
eingesparten Betons für dieses doppelstöckige Zimmer von ca. 10 Tonnen
würde
durch den Speicher von einer Tonne und dem Wasser von 10 Tonnen ersetzt
werden.
Auf dem Bild links sieht man dieses „Zimmer“ im Erdgeschoss ohne Türe.
Auf dem
Bild rechts dasselbe „Zimmer“ im Keller. Dort kündigt ein großes X mit
der
Bemerkung „keine Decke“ an, dass der sogenannte Wärmespeicher
zweistöckig ist.
Dies und die massive Isolierung des Hauses war ein Novum für das
Bauunternehmen, das wir nach einer Anfrage-Aktion zwischen 11
Unternehmen
gefunden hatten.
Mit
diesen Plänen gingen wir zum örtlichen Bauamt und baten
um eine Baugenehmigung. Dass dieses Haus zu über 50% mit Solarenergie
geheizt
werden sollte, hingen wir allerdings nicht an die große Glocke. Das Amt
wäre
mit einer solchen Eingabe überfordert gewesen.
Zu
unserer Überraschung ging unser Baugesuch ohne weitere
Auflagen durch. Am Ende des Schreibens heißt es lediglich:
Wir
bekamen den sog. roten Punkt, den ich an die Garage
nagelte. Dann hielten wir mit einigen unserer Freunde eine kleine
Zeremonie auf
dem Baugelände ab: Jeder durfte beim traditionellen „Ersten
Spatenstich“ einmal
mit dem Spaten graben und dann betete ich zu unserem Schöpfer, dass er
gutes
Wetter gibt, damit die Bauleute schnell voran kommen und dass sich
außerdem niemand auf
dem Bau verletzt. Die erste Bitte, die ich Gott kaum zu stellen wagte,
wurde
uns voll gewährt. Es regnete die ganze
Rohbauphase nicht, außer leichter Nieselregen – zufällig
an den drei Tagen,
an denen die Bodenplatte, die erste und die zweite Decke gegossen waren
und
abbinden mussten. Erst am 08.12. fing es dann an zu regnen, als die
Dachdecker
gerade damit beschäftigt waren, den letzten halben Quadratmeter zu
decken.
Zwei
Tage nach dem „ersten Spatenstich“, am 24.10.2000, kam
der Bagger und der Aushub begann. Nach 40cm Erde kam Schiefer, erst
lose
vermischt mit Erde, dann immer mehr als Schiefergebirge. Ein großer Baukran wurde
auf der Zufahrt zur
Garage gestellt, die Bodenplatte vorbereitet und am 2.11. gegossen. Am
13. kam
der Keller. Er bestand aus vorgefertigten Betonwänden, zwischen die
flüssiger
Beton gegossen wurde. Am 15. wurde die erste Decke gegossen und in den
nächsten
Tagen fingen die Maurerarbeiten an. Wir hatten Kalksandstein
ausgesucht, da
dieser am wenigsten radioaktiv strahlt. Die Isolierwirkung von
Kalksandstein
ist zwar schlecht, aber wir brauchten etwas stabiles, schließlich
bauten wir in
der Erdbebenzone 4.
Bevor
die zweite Decke am 21. gegossen wurde, musste der
große Solarspeicher in die Nordecke gehievt werden. Ich hatte ihn
selber
konstruiert und ihn beim Behälterbauer Weko in Haigerloch-Owingen in
Auftrag
gegeben. Er kam pünktlich am Abend des 20. Novembers. Beim Ausladen des
Speichers gab es Probleme, weil der LKW nicht nahe genug an den Baukran
heranfahren konnte. Schließlich packten der LKW-eigene Kran und der
Baukran
gemeinsam mit an. So konnte das Schwergewicht in eine Stellung gebracht
werden,
von der aus der Baukran den Speicher alleine weiter über dem Boden
schleifen
konnte. Schließlich war der Stahlkoloss so nahe am Kran, dass er
hochgezogen
und in das Haus gestellt werden konnte.
Der
Solarspeicher enthält heute eine Opferanode (ohne
künstliche Spannungs-Erhöhung) und ist mit 35 bis 40cm dicker
Glasfaserdämmung isoliert.
Auf
dem Bild links erkennt man sehr gut den Einstiegsdom
oben und die 10 Flansche, die ich in den nächsten Monaten mit
Wärmetauscher-Rohrschlangen ausrüstete. Der Flansch unten rechts ist
der
Solar-Flansch. Links der Flansch ist für die Kühlung eines Generators
gedacht,
falls ich doch einmal zu einer Kraft-Wärme-Kopplung mit Stirlingmotor
kommen
sollte. Den Flansch dazwischen durchläuft Leitungswasser, das so
vorgewärmt in
den separaten Boiler geleitet wird. Die sieben Flansche nach oben sind
die
Wärme-Entnahme-Flansche.
Von
jedem dieser sieben Flansche geht ein Rohr nach oben in
den Raum darüber, unserem Trockenraum. Hier verschwinden die isolierten
Rohre
hinter einem weißen Brett, das den großen Solarspeicher symbolisiert.
Weiße Kunststoffkappen
symbolisieren die Wärmetauscher. Auf jeder
Kunststoffkappe sitzt ein grüner Taster, mit dessen Hilfe man die
Temperatur
des jeweiligen Wärmetauschers oben in der Flüssigkristall-Anzeige
ablesen kann.
Zwischen jeder der symbolischen Flansche kommt ein Rohr nach vorne und
teilt
sich durch ein T-Stück nach rechts und links. Durch die Ventile kann
man
bestimmen, aus welcher Temperaturschicht die Wärme entnommen wird. Das
linke
Sammelrohr geht zum „Boiler“, das rechte zu den Heißkörpern, die mit
einer
Gesamtleistung von 5 kW im Haus verteilt sind. Die Ventile sind alle
von Hand
zu schalten, brauchen aber auch nur im Spätherbst betätigt zu werden.
Im
Winter wird dann Zusatz-Heizenergie benötigt. Sie wird
von einer Gastherme für Propangas mit 10kW Leistung bereitgestellt. 2006 bauten wir außerdem
einen kleinen
Heizkessel für Scheitholz im Keller ein, den ich mit 6-8kW betreibe.
Inzwischen
sind wir über 10 Jahre in
dem Solarhaus. Die Aufzeichnungen weisen 60% solare Deckungsrate aus
(Gelb:
Solar / Pink: Propangas / Grün: Holz) (Einzug Ende 2001) (Im Jahr 2002
war die
Solaranlage noch nicht richtig eingestellt).
Die
Temperaturen (täglich gemessen werden oben und unten
jeweils eine Temperatur am großen Solarspeicher) zeigen, dass das
höchste
Niveau im Spätsommer erreicht wird und erst ca. einen Monat später mit
der
solaren Heizung begonnen wird, was man dann an der steilen Absenkung
erst der
unteren Temperaturkurve und dann der oberen Temperaturkurve sieht.
Dazwischen
kühlt der Speicher leider ab, 0,5 Grad pro Tag, was nur mit einer
höherwertigeren Isolation verbessert werden könnte.
Auffällig
sind die Zacken Anfang Winter oben im
Solarspeicher. Diese werden durch den Betrieb des Holzheizkessels
verursacht
und dokumentiert die Pufferung dieser Energie.
Jedes
Jahr sieht anders aus. Als Beispiel sei noch das Jahr
2010 gezeigt.
Hier
wurde es im Frühjahr nach reichlichem Sonnenschein
wieder für mehrere Wochen kalt, so dass wir solar geheizt haben und
dann noch
zweimal mit dem Holzkessel nachhelfen mussten, bis dann die Sonne
wieder
ungetrübt vom Himmel schien.
Die
Höchsttemperatur war in beiden Jahren 70°C. Das sind
wegen unserer kleinen Kollektorfläche von nur 10,25 Quadratmeter
Normalwerte,
Ausnahme war das Jahr 2003 mit 79,6°C.
Sicher
kann man heute vieles besser machen. Für die damalige
Pioniersituation kann sich das Ergebnis aber durchaus sehen lassen.
Inzwischen
gibt es Solarspeicher von 9,5 Kubikmeter aus der Serienproduktion zu
kaufen und
weitgehend automatisierte Energielast-Managementsysteme, ja die ersten
Solar-
und Passivenergiehäuser von der Stange. In den letzten 10 Jahren hat
sich viel
getan, vor allem in der Gesellschaft. Früher wurde man als „Solarfreak“
abgetan, heute baut sich jeder eine Photovoltaik-Anlage auf sein Dach,
der nur
etwas auf sich hält. Der Unterschied im Wertedenken könnte kaum größer
sein.
2016 hat sich unser Solarhaus amortisiert. Ab da sparen wir jedes Jahr 500 Euro ein und wenn die Energiepreise weiter so steigen, wird dieser Einsparungs-Betrag immer höher ausfallen. Es ist ein gutes Gefühl, in einem Solarhaus zu wohnen.