„Volle
Bremskraft voraus!“
Kaum
ein technisches Gerät kommt
ohne
Sicherheitssysteme aus, und unter diesen wiederum sind es besonders die
Bremsen, die fast überall vorkommen.
Wobei sie eigentlich kontraproduktiv sind, denn wenn ein Autofahrer immer nur bremsen würde, käme das Auto nicht voran – die Bestimmung des Autos, nämlich das Fahren einer Strecke, würde nicht in die Tat umgesetzt werden.
Wenn
ein Pilot mit Schubumkehr starten wollte, könnte sich
das Flugzeug nie vom Boden erheben – aber genau für´s Fliegen war es
konstruiert und gebaut worden.
Andererseits
wäre ein Auto ohne Bremse nichts wert und
außerdem eine Gefahr für sämtliche andere Verkehrsteilnehmer und ein
Düsenjet
ohne Schubumkehr könnte nicht sicher landen.
Bremsen sind also wichtig.
Um so erstaunlicher ist es, dass bei Stirlingmotoren bis jetzt kaum jemand an eine Bremse gedacht hat. Und das, obwohl fast jede kaputte Maschine, die ich zu Gesicht bekam, nach Aussage der Besitzer zu hohe Drehzahlen abbekommen hatte. Dabei spielt das Phänomen des „Durchgehens“ eine große Rolle: Der Motor wird unter Abnahme eines Drehmomentes gefahren und plötzlich stolpert jemand über das Stromkabel oder der Zahnriemen zum Generator fällt ab. Ach, es gibt hundert Gründe, warum die Kurbelwelle plötzlich keinen Widerstand mehr spürt und die Drehzahl abhaut. Da hilft es dann auch nichts, wenn die Wärmequelle sofort ausgeschaltet wird. Der Erhitzer ist zunächst immer noch heiß. Die Drehzahl geht zwar zurück, aber nur langsam – viel zu langsam für das sensible Triebwerk. Vor allem das Verdränger-Triebwerk verabschiedet sich schon oft innerhalb der ersten Sekunde und falls es sich nicht zerlegt hat, dann sind die Pleuelaugen doch meistens ausgeschlagen.
Warum
also nicht an eine Bremse denken?
Dabei gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Im folgenden sollen sie vorgestellt werden:
Die Fliehkraft-Bremse
ist für den Anfang das Einfachste und Beste, das man seinem Stirling antun kann. Doch wer seinen Motor mehr als 100 Stunden laufen lassen will, sollte hier nicht die billige Variante mit radialen Fliehgewichten einsetzen. Abb.1 und Abb.2 zeigt Fliehkraftbremsen mit solcher radialer Führung. In Abb.2 sieht man neben einer noch neuen Bremse Bremsbacken, die 3200 Stunden in einem Stirlingmotor mitgelaufen sind, ohne dass die Bremse ausgelöst hat. Aber am inneren Radius sieht man, wie sich die Nabe in das Fliehgewicht hineingearbeitet hat (siehe Pfeil).
Besser
ist es, Fliehkraftbremsen mit Drehzapfen geführten
Bremssegmenten zu benutzen, wie sie die Firma Suco unter der
Bezeichnung
„P-Typ“ führt (siehe nebenstehende Abbildung). Die Drehzapfen sind mit
einer
engen Passung versehen, die bei den wechselnden Drehmomenten des
Stirlingmotors lange nicht so stark ausschlagen. Zusätzliches
Einfetten der Drehzapfen bewirkt weiteren Schutz gegen Ausschlagen. Alle anderen nun folgenden
Bremsen
muten zwar zum Teil
genial an, jedoch haben sie eines gemeinsam: sie können versagen.
Deshalb
sollte eine Fliehkraft-Bremse in jedem Fall immer redundant mitlaufen. Die
elektrische
Bremse
stellt wohl die gängigste Lösung für alle Stirlingmotoren mit Generator
dar.
Bei Gleichstrom- und Synchron-Generatoren ist die Sache ganz einfach:
Ein
Überspannungs-Modul schaltet auf einen Not-Widerstand um, der dann die
Energie
verbrät. Beim beliebten Asynchron-Generator müssen dagegen zur
Aufrechterhaltung der Erregung zusätzlich noch Kondensatoren
dazugeschaltet werden.
Die Abstimmung dieser Kondensatoren ist nicht einfach und Tests mit
immer
höheren Drehmomenten unabdingbar. Fehlerquellen gibt es bei der
elektrischen
Bremse genug. Das Verkleben des Leistungsschalters, der auf die
Not-Widerstände
umschaltet, entpuppte sich als die häufigste Fehlerquelle. Die
Bypass-Bremse
ist eigentlich nichts weiter als eine
Rohr- oder Bohrungs-Verbindung zwischen dem Arbeitsraum und dem
Getrieberaum.
Wenn diese Verbindung plötzlich geöffnet wird, gibt es zwischen den
beiden
Räumen kaum noch einen Druckunterschied, was den Motor sofort
austrudeln läßt,
ganz egal wie hoch die Temperatur am Erhitzer noch ist. Eine geniale
Idee. Nur,
wer sagt der Verbindung, dass sie öffnen soll? Und woher kommt das
Signal? –
Hier gibt es verschiedene Wege:
Die
Bypass-Bremse
mit Fliehkraft-Hammer
(Abb.4). Auf der
Kurbelwelle befindet
sich eine Art Hammer, der bei erhöhter Fliehkraft nach außen wandert
und dort
gegen ein Röhrchen schlägt. Dieser Rohrstummel ist vorne verschlossen
und
stellt die Verlängerung der Bohrung zum Arbeitsraum dar. Außerdem
besteht das
Röhrchen aus sprödem Material (Keramik / Glas) eventuell mit
Sollbruchstelle.
Im Moment der Zerstörung fliegen winzige Splitter durch den
Getrieberaum. Damit
sie nicht vom jetzt offenen Arbeitsraum eingesaugt werden, sollte in
diesem
Drehwinkel gerade eine Überdruckphase begonnen haben. Ansonsten würde
eine
Reparatur der Zylinder und Kolben später nur unnötig erschwert werden. Die
Bypass-Bremse mit elektrischer Auslösung:
Ein
Überspannungs-Modul schaltet
ein Ventil am
Bypass durch. Wenn
zu diesem Zeitpunkt allerdings
das Stromnetz
ausgefallen ist, muss sichergestellt werden, dass die Energie zum
Öffnen des
Ventils unabhängig vom Stromnetz, zum Beispiel vom Motor selbst kommt! Die
Bypass-Bremse
mit Fliehkraft-Modul und Kupplung mit Gewindestange.
(Abb.5) Uralt-Technik vom Feinsten.
Hierbei kuppelt die Reibkupplung erst bei Überdrehzahl ein und dreht
dann eine
Gewindestange, auf der ein Mitnehmer über ein Schwenkhebel das
Bypass-Kugelventil öffnet. Die letzten Gewindegänge der Stange sind
abgedreht,
damit der Mitnehmer stehen bleibt. Die
Bypass-Bremse
mit vorgespanntem Kniehebel-Mechanismus.
Die
Bypass-Bohrung ist hier durch eine Platte
verschlossen, die von zwei Pleuel und einer starken Druckfeder gehalten
wird.
Das mittlere Gelenk, das Knie, lehnt an einer durchbohrten Wand. Bei Überdrehzahl drückt
ein Auslöser auf das
Knie, bis das Knie durchknickt. Dadurch wird die Platte schlagartig von
der
Bypass-Bohrung gelöst. Der
Auslöser kann wiederum ein altbewährtes Fliehkraft-Modul
sein, in diesem Fall mit Achsial-Kugellager. Die
Totvolumenbremse
ist die kleine Schwester der Bypass-Bremse. Alle Auslösungen außer der
des Fliehkraft-Hammers kommen hier in Frage. Wenn ein Stirlingmotor
ohnehin mit
einer Totraum-Regelung ausgestattet ist, stellt diese Art der Bremse
natürlich
die erste Wahl dar. Aber auch hier muss sichergestellt werden, dass die Energie zum
Öffnen des Ventils trotz
eventuellem Netzausfall vorhanden ist. Nicht
so vorteilhaft sind Bremsen, die während des
Normalbetriebes ständig Energie verbrauchen. Um
zu unseren Beispielen zurückzukommen: Bremsklötze beim
Auto, die ständig an der Bremsscheibe anliegen, verschleißen schnell
und
bedeuten ein Mehrverbrauch an Sprit. Ähnlich
beim Flugzeug: Würde bei einem Transatlantikflug die
Schubumkehr ständig ein bißchen zugeschaltet sein, dann würde die genau
bemessene Kerosinmenge nicht bis zum Ziel reichen und das Unternehmen
würde
zwischen treibenden Eisbergen enden. Bremsen
sind zwar wichtig, aber es ist eben genauso wichtig,
dass sie während des regulären Betriebes klar und sauber vom
technischen Gerät
entkoppelt sind. Eigentlich
sollte das jedem
klar sein. Warum erwähne ich es dann überhaupt? Man mag es kaum
glauben, aber
es gibt eine ganze Reihe Sicherheitssysteme aus dem vorigen, nicht so
energiebewußten Jahrhundert, die genau nach diesem Prinzip arbeiten.
Ja, bei
einigen dieser Sicherheitssystemen sind solche Bremsen sogar bis heute
vorgeschrieben. Zum Beispiel ständig angezogene Magnetventile bei
Druckluft-Bremsen
der LKW`s oder bei Vorventilen in Hydraulik-Systemen. Auch
bei Stirlingmotoren mit
Netz-Parallel-Betrieb
ist es geradezu verführerisch, ein Relais ständig mit der Netzspannung
zu
bestromen und wenn das Netz ausfällt, mit dem anfallenden
„Negativ-Signal“ den
Not-Widerstand oder den Bypass einzuschalten.
Noch
mehr Energievernichtung kommt heraus, wenn durch ein
Verdichter (z.B. eine Zahnradpumpe) ständig Luft komprimiert und nach
einem
Speichervolumen durch eine Düse gejagt wird. Wenn nun durch eine
Überdrehzahl
der Druck ansteigt, zerreißt ein Berstblech und die Druckluft bewegt
über einen
Kolben ein Bypass-Kugelventil. Zu umständlich? – Wie wäre es damit?: Das
Bypassventil ist in diesem Fall kein Kugelventil oder
ein Ventil mit achsialem Sitz, sondern ein knochenförmiger Kolben in
einem
Zylinder wie in Abb.8. Die Kraft, um den Kolben zu bewegen ist klein,
sie kann
durch ein elektrisches Magnet oder ein Fliehkraft-Modul realisiert
werden. Das
hört sich ziemlich gut an, aber die Verluste am Dichtspalt zwischen
Kolben und
Zylinder dürften vor allem bei Heliummaschinen groß sein. Sie greifen
direkt in
den Zyklus ein, indem sie die technische Arbeit verringern. Das
PV-Diagramm
eines solchen Stirlingmotors wird schmaler, und das bedeutet, dass die
Leistung
stark abnimmt. Sicher
ist die Liste der Positiven und negativen
Möglichkeiten einer Bremse damit noch nicht erschöpft und es gibt auch
zweifellos jede erdenkliche Kombination aus Bremse und
Auslöse-Mechanismus.
Aber ich möchte die Liste hiermit schließen. Sie ist lange
genug, um
auswählen zu können.