Der Vorführ-Effekt


Wenn man kleine Modell-Stirlingmotoren vorführt und der Gast am Schwungrad mit dem Finger ein Drehmoment abnehmen will, gehen die Drehzahlen sofort in die Knie und der Motor nibbelt ab. Das macht keinen guten Eindruck. Das schadet dem Image des Stirlingmotors. Zu recht fragt der Gast dann, ob Stirlingmotoren überhaupt ein Drehmoment haben? Und da Leistung bekanntlich die Multiplikation von Drehzahl und Drehmoment darstellt, fragt es sich: haben Stirlingmotoren überhaupt Leistung? Ja, das hätten sie, wenn man die Versuchsanordnung etwas ändern würde. Denn die soeben geschilderte Anordnung entspricht der Situation am Auto, wenn man ohne Gas zu geben, plötzlich einkuppelt. Jeder weis, dass der Auto-Motor dann abgewürgt wird. Man muss beim Einkoppeln gleichzeitig Gas geben. Genau das aber ist beim Stirlingmotor nicht so einfach. Während man beim Explosionsmotor innerhalb einer zehntel Sekunde das Drehmoment verdoppeln kann, bewirkt ein Höherstellen der Spiritusflamme beim Stirlingmotor erst nach einer halben Minute eine Erhöhung des Drehmomentes. Und wenn man diese Geduld aufgebracht hat und an der Welle (statt am Schwungrad) mit zwei Fingern allmählich immer stärker zugedrückt hat, dann darf man auf keinen Fall mehr loslassen, sonst geht der Motor durch, denn auch ein Zurückregeln des Drehmomentes dauert eine halbe Minute. Der Stirlingmotor kann also durchaus was, aber er besitzt ein „träges Verhalten“, so die offizielle Fachbezeichnung.

Es ist daher angebracht, auf Ausstellungen stets Motoren mit Generatoren zu koppeln und die elektrische Energie in Birnen oder Heizdrähten zu verbraten und diese künstlichen Verbraucher durch eine automatische Drehzahlerfassung plötzlich bzw. allmählich wegzuschalten, in dem Moment, in dem ein Gast mit der Hand an die Schwungscheibe geht. Bei Motoren ab 60 Watt sollte man allerdings einen Wassereimer neben den Motor stellen, damit sich der allzu wissbegierige Gast die Hand sofort nach dem Verbrennen abkühlen kann.

Wer die wertvolle Abtriebsleistung nicht elektrisch verbraten will, der kann ein Abzweigrohr am kalten Teil des Stirlingmotors anbringen, in dieses Rohr ein Kugelventil einbauen und das Rohr danach in einen leeren Behälter, einen sog. Totraum enden lassen. Der Motor wird auf kleiner Flamme und offenem Kugelventil vorgeführt und wenn jetzt ein Gast an die Schwungscheibe geht, muss der Betreiber nur noch für eine plötzliche Umschaltung des Ventils sorgen – entweder von Hand oder durch eine komplizierte Mimik, die der elektrischen Variante (oben) wahrscheinlich in nichts nachsteht, was die Aufwändigkeit angeht. Diese Art der Regelung wurde tatsächlich schon in den 80-iger Jahren in High-Tech-Stirlingmotoren eingesetzt. Sie heißt Totraumregelung und oft waren hier mehrere verschieden große Totvolumina an einem Zylinder angebracht. Aber eigentlich ist sie keine (stufenlose) Regelung, sondern eher eine Stufenschaltung. Es sei noch dazu gesagt, dass wer sich für eine solche Leistungsregelung entscheidet, der muss je nach Leistungsabnahme natürlich auch die Flamme nachregeln. Wer das aber bei der Vorführung nicht tut, hat auch einen Vorteil: er braucht wenigstens keinen Wassereimer neben den Motor zu stellen. Der Gast wird nur für ca. 15 Sekunden das erhöhte Drehmoment in den Händen halten. Dann macht der Motor wegen der Sparflamme schlapp.

Wer einen aufgeladenen Motor besitzt, könnte bei der Vorführung eine Druckregelung realisieren. Aber erstens funktioniert diese Regelung nur langsam – ungefähr mit zwei Sekunden Verzögerung. Bis der höhere Druck ein höheres Drehmoment erzeugt hat, kann der Gast bereits den Motor abgewürgt haben. Zweitens kann man diese Regelung schlecht mit einfachen Mitteln automatisieren.

Keine so gute Idee ist es, eine Vorführ-Regelung durch eine Fliehkraft-Bremse zu realisieren. Sie wird heiß und nutzt sich vielleicht schon ab, bevor schließlich der erste Gast seinen Finger an die Schwungscheibe hält. Eine Fliehkraft-Bremse ist gegen Durchgehen eigentlich für jeden Stirlingmotor Pflicht (siehe Beitrag „Die Bremse“), aber die Eingriffsdrehzahl sollte natürlich höher sein, deutlich über dem Leistungsmaximum.

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